WAS SEHEN WIR EIGENTLICH, WENN WIR MUSIK HÖREN_2018
Orgelpfeifen, Eiche, Leim,
teilweise mit C-Print und
Acrylglas
unterschiedliche Breiten (21-25 cm) und Längen (98 – 200 cm)
Das Werk veranschaulicht ein elementares Phänomen der Wahrnehmung und die Beziehung zwischen Hören und Sehen. Jeder Orgelbauer gibt durch seine Persönlichkeit dem Klang der Orgel eine individuelle Farbe: Farben, die im Inneren des tönenden Kunstwerks entstehen und dem Blick normalerweise verborgen bleiben. Öffnet man die Pfeifen, wandeln sich die Schwingungen der auditiven Wahrnehmung in visuelle Bilder: aus dem Hörereignis wird ein Sehereignis aus verschwommenen Farbfeldern mit räumlicher Tiefe und mächtiger Stummheit. Meine Bilder changieren zwischen der ungreifbaren Körperlichkeit von Klang und deren unmöglichen Abbildbarkeit (mehr Text ↴ siehe unten).
Ausstellungsansichten; Kunstwechsel 2018, Barmenia Haus Siegen
Kirchen- und Konzertorgeln sind die größten Instrumente der Welt. Ihr mächtiger Klang bildet sich in jeder einzelnen Orgelpfeife, die jeweils einen bestimmten Ton in einer bestimmten Klangfarbe erzeugt. Wenn sie gespielt wird, entfaltet die Orgel Klang- und Vorstellungsbilder. Jeder Orgelbauer gibt durch seine Persönlichkeit dem Klang der Orgel eine individuelle Farbe: Farben, die im Inneren des tönenden Kunstwerks entstehen und dem Blick normalerweise verborgen bleiben.
Öffnet man die Pfeifen, wandeln sich die Schwingungen der auditiven Wahrnehmung in visuelle Bilder: aus dem Hörereignis wird ein Sehereignis aus verschwommenen Farbfeldern mit räumlicher Tiefe und mächtiger Stummheit.
Das Klangbild meiner Orgelpfeifen habe ich vor dem Aufschneiden und Flachwalzen in einem Tonstudio aufgenommen, in dem ich in jede einzelne Pfeife hineingeblasen habe. Die anschließend in Bilder umgewandelten Tonaufnahmen, visualisieren die spezifische Klänge der von mir unbrauchbar gemachten Pfeifen. Die Phonographien sind Aufzeichnungen des erzeugten Schalls und werden als rhythmische vertikale Strukturen in feinen grauen Linien und gemusterten Balken sichtbar, die ich als Fotografie teilweise beifüge.
Das Werk veranschaulicht ein elementares Phänomen der Wahrnehmung und die Beziehung zwischen Hören und Sehen. Wahrnehmung bleibt immer an den Körper gebunden. Hans Belting beschreibt es so, dass „das Bild […] immer eine mentale, das Medium immer eine materiale Eigenschaft hat, auch wenn sich beides für uns im sinnlichen Eindruck zur Einheit verbindet“ (Hans Belting, Bildanthropologie, S. 29, 2. Auflage 2002, Fink-Verlag, München). Meine Bilder changieren zwischen der ungreifbaren Körperlichkeit von Klang und deren unmöglichen Abbildbarkeit.
Text + Fotos: Kai Gieseler