OHNE LILO_2015

Dupion-Seide, Zucker, Draht, Gewindestangen
800-tlg.
1 x 5 m


Annähernd 800 in Zuckerlösung getränkte, verstärkte und anschließend getrocknete Seidenstoff-Fragmente in einer Größe von ca. 1 x 2 m sind mit S-Haken an einer Gewindestange eingehängt, die zwei gegenüberliegende Wände eines Raumes über eine Länge von 5 Metern miteinander verbindet.Das Material, der Abfall aus der Kleiderproduktion, bekommt eine Bedeutung, wird Raum und Form (mehr Text ↴  siehe unten).

Ausstellungsansichten: Rundgang 2015, Brauhaus, Universität Siegen

Annähernd 800 in Zuckerlösung getränkte, verstärkte und anschließend getrocknete Seidenstoff-Fragmente in einer Größe von ca. 1 x 2 m sind mit S-Haken an einer Gewindestange eingehängt, die zwei gegenüberliegende Wände eines Raumes über eine Länge von 5 Metern miteinander verbindet. 3 Leuchtstoffröhren beleuchten das Werkt von oben. Aus vielen, einzelnen, flachen Elementen wird ein raumfüllendes, längliches, verschmelzendes Gesamtgefüge mit einem dichten Volumen, aus dem wiederum einzelne Elemente durch unterschiedliche Längen herausspringen und Fäden herunterhängen. Es gibt unregelmäßige Wiederholungen bzw. Frequenzen. Durch die Aufhängung zwischen den Wänden des Raumes, sozusagen an zwei gegenüberliegenden Wänden angedockt, wird es zum Teil des Raumes und verschmilzt mit den Wänden. Das von oben durchdringende Licht der Neonröhren lassen minimale Farbverläufe von hell nach dunkel entstehen. Die gesamte Arbeit wird förmlich zu einem Lichtspeicher aufgeladen.

Die unbeabsichtigten und nebenbei entstandenen Formen der Seidenstoff-Fragmente sind ein Nebenprodukt in der Produktion einer Brautmoden-Manufaktur in Köln. Die unterschiedlichen Formenkontigente, die beim Zuschnitt als Negativteile übrig bleiben, übernehme ich unverändert. In meinem Werk ohne Lilo sind überwiegend Stoffe aus der Kollektion 2014/15 enthalten, in der ein Modell Lilo heißt. Durch die ausschließliche Verwendung der Negativformen, den Umrissen, ist das Modell Lilo nicht dabei und gibt dem Werk seinen Namen. 

Der Zucker dient zur Versteifung und Erhaltung bzw. Konservierung der Stoffe ohne sie irreversibel zu verändern. Der Zucker ist auswaschbar und somit der Prozess umkehrbar. Die ursprünglich weiche, fließende Seide erweckt nach dem Zuckern den Eindruck eines papierähnlichen Werkstoffs, einem Palimpsest: eine wiederbeschriebene oder überschriebene Manuskriptseite, die durch Schaben oder waschen gereinigt und danach neu beschrieben wurde. 

Diesen reduzierten, seriellen Formen verwachsen zu zarten Membranen, zotteligen und zerzausten Wucherungen. Dem Material wird Körperlichkeit und Transparenz entlockt:  hart und weich, fragil, präsent und außer Reichweite. Das Material, der Abfall aus der Kleiderproduktion, bekommt eine Bedeutung, wird Raum und Form. 


Text + Fotos: Kai Gieseler